Le Moissonnier – Köln [Restaurantkritik]

Es gibt ja Restaurants von deren Besuch ich ja schon seit Jahren träume. Oft genug liegen diese Wunschobjekte aufgrund der räumlichen Distanz einfach außer Reichweite.

Umso besser wenn es, wie jüngst bei mir, aus beruflichen Gründen klappt in die Nähe eines der Sehnsuchtsrestaurants zu kommen.

Lange Rede – kurzer Sinn: Ich war endlich im legendären Le Moissonnier in Köln. Das Le Moissonnier hat nun schon seit einigen Jahren zwei Sterne im Michelin, aber noch viel länger war mir klar: Irgendwann muss ich dahin.

Außenansicht des Restaurants Le Moissonnier in Köln

Ein Hort moderner französischer Esskultur.


Die Kombination aus einem legeren, sehr französischen Bistro und einer Küche, die die französische Tradition weiterentwickelt, verheißt einfach großen Genuß.

Keine verkopften Gerichte, kein steifes Zelebrieren einer austauschbaren Hochküche, nein, der Genuß steht im Vordergrund. So dachte ich mir das… und wir wurden nicht enttäuscht.

Ganz und gar nicht!


Die Geschichte des Le Moissonnier ist inzwischen vielfach beschrieben. Namensgeber und Patron Vincent Moissonnier gründet das Lokal in Köln zusammen mit seiner Frau vor nunmehr 28 Jahren, kurze Zeit später stößt der französische Koch Eric Menchon dazu. Das kongeniale Team entwickelt die Küche über die Jahre zu einer der besten und beständigsten Adressen in Deutschland.

Das Lokal wurde vom Feinschmecker Magazin im Jahre 2012 als Restaurant des Jahres ausgezeichnet und wird mit 2 Michelin Sternen bewertet.


Die Küche von Eric Menchon im Le Moissonnier

Ein Koch, der nie bei einem der großen Lehrmeister war, entwickelt sich in einem Restaurant über Jahrzehnte zu einem der besten Köche des Landes. So unglaublich das klingt, zeigt es doch, dass sich Koch- und Köchekarrieren nicht (nur) am Reissbrett planen lassen.

Neugierde, Lust auf Experimente, ein untrügliches Gespür für Genuß und ganz entscheidend, ein solides Fundament sind die Zutaten für die Genialität von Eric Menchon.

Zeitgemäße französische Küche

Die Küche im Le Moissonnier beruht auf der französischen Klassik, die ja heutzutage vielleicht als angestaubt und wenig innovativ angesehen wird. Ich war nie der Meinung, dass man für echte Innovation sämtliche Traditionen in der Küche über den Haufen werfen muss.

Wenn man die Evolution der letzten Jahre betrachtet, sind die wilden Experimente (v.a. der spanischen Köche) vielleicht doch nicht so nachhaltig.

Bloggerkollege Julian schrieb übrigens jüngst auch einen lesenswerten Bericht darüber, zu welcher Leistung die französische Hochküche aktuell fähig ist. Da sollten sich die Skandinavier mal ganz warm anziehen.

Die Satellitentechnik

Neben der intelligenten Weiterentwicklung französischer Kochtradition in Bezug auf Aromen, greift Eric Menchon auf das bemerkenswerte Konzept mit sog. „Satellitentellern“ zurück.

Ein Gang wird auf zwei bis vier verschiedenen Geschirrelementen aufgetragen, so dass sich aus Kombinationen und Abfolgen wunderbare Kontraste und Harmonien ergeben.

Satellitenelement zum Hauptgang

Beispiel für Satellitenteller im Le Moissonnier


Das klingt übrigens komplizierte als es ist. Bei uns gab der Service ein-, zweimal eine Empfehlung zur Reihenfolge – das war’s dann auch schon. Man kann sich ganz neugierig an die Tellerchen machen – alles paßt wunderbar zusammen.

Das Wochenmenü im Le Moissonnier

Da ich erst etwas kurzfristig reservieren konnte, gab es nur noch Mittagstermin für den Samstag unseres Besuchs. Der vermeintliche Nachteil kehrte sich aber bald als Vorteil heraus.

Ich stelle nämlich wieder einmal fest, dass Mittags die Geschmacksnerven, -papillen oder wie sie auch heißen mögen, einfach am aufnahmefähigsten sind.

Nach einem kurzen Fußweg durch eine nicht gerade anheimelnde Gegend Kölns betraten wir freundlich begrüßt von Frau Moisonnier um Schlag 12.30 Uhr das Restaurant. Einige Gäste waren bereits da, wir bekamen ein schönes Tischchen zugewiesen und sofort nahm einen die entspannte Atmosphäre ein.

Ja, genauso hatte ich mir das vorgestellt.

Die Aperitifkarte

Das erste Highlight lies nicht lange auf sich warten: Die von uns bejahte Frage nach einem Aperitif wurde nicht wie so oft üblich mit zwei, drei üblichen Getränken (ja Champagner, und einen Haustrunk etc.) beantwortet sondern mit einer kleinen Aperitifkarte, die mindesten 12 Positionen umfasste.

Wie toll ist das denn?

Mixgetränke, Champagner, Cremant, Birnenschaumwein und noch viele weitere Getränke machten die Auswahl schwer. Wir entschieden uns dann für einen Pommeau fermier, eine apfelfruchtige Mischung aus Cidre und Calvados.

Und die leichte Süße sollte sich als passende Einstimmung für das Menü erweisen.

Die Speisekarte

Die Auswahl im Le Moisonnier ist überschaubar, zwei Seiten a la Carte Gerichte und ein Menü. Wir entschieden uns für das Menü mit der angebotenen Weinbegleitung, nicht ohne zuvor den letzten Satz auf der Karte gelesen zu haben:

Ergänzbar mit Foie Gras und/oder Rohmilchkäse

War ja klar was wir dann dazu bestellten, oder?

Foie Gras mit Gewürztraminergelee (9/10)

Foie Gras in einem französischen Spitzenlokal ist wohl ein „Must“, diesmal war es eine Entenfettleber mit feingehackten Gewürztraminergelee und als erfrischende Ergänzung einen kleinen gemischten Salat mit pikantem Senfdressing.

Schöner kann man nicht in ein Menü starten! Und ich darf daran erinnern: als Getränkebegleitung hatten wir ja noch einen Schluck vom nahezu kongenialen Pommeau!

Entenleber-Terrine mit Traminergelee angerichtet

Wenn schon, denn schon…


Barbecue von Thunfisch | Muscheln | Tintenfisch-Cannelloni | Misosuppe (9/10)

Le Moissonnier-Hauptteller-Fischgang-Tunfisch

Der Hauptteller: Thunfisch


Der zweite Gang (der erste Fischgang) war dann ein klassischen Le Moisonnier-Gang. Drei Elemente und Aromen auf drei Tellern, jedes für sich ein Hochgenuß und in der Kombination die Steigerung davon.

Eine wunderbar süffige Misosuppe (Umami pur!), die Einlage von geräuchtertem Tofu eher als texturelles Element und ein paar winzige Enoki-Pilzchen als winzige Highlights in Richtung eine fleischigen Note.

Herrlich – alles ausgelöffelt bis zum letzten Tropfen.

Dann der appetitlich glänzende Thunfisch, perfekt gebraten und eben mit einem Barbecue Lack überzogen und dazu eine unfassbar vielfältige Kombination aus Muscheln (Herzmuscheln und Kammmuscheln stand auf der Karte zu lesen) akzentuiert mit verschiedenen Kräutern.

Jeder Bissen ein anderes Aroma mit makelloser Textur.

Als Abschluß zwei winzige Pulpo-Cannelloni mit Krebs und Avocado-Füllung und einem Tupfer gelierte Bouillabaisse. Ich bin ja eigentlich kein Freund von Taschenkrebs-Fleisch seit ich vor Jahren in der Bretagne mal ein, nun ja, unbekömmliches Erlebnis hatte. Aber hier paßte alles und die Portion war ja auch nur ein Portiönchen…

Wäre das Essen nicht Genuß genug, gab es auch eine wunderbare Weinbegleitung: Jurancon sec 2013 – Cuvée Guilhouret, Clos Thou. Ein ungewöhnlicher Weißer aus dem französischem Baskenland, gekeltert aus drei autochthonen Sorten.

Saftig und mollig in Textur, mit sehr reifer Mango in der Nase konnte er es gut mit dem komplexen Thunfischgericht aufnehmen.

Seezunge auf Escabeche-Sud | Königin Pastetchen von Meeresfrüchten | Aubergine | Shizo und Mizuna (8/10)

Seezunge angerichtet im Escabeche-Sud

Klassischer Edelfisch: die Seezunge


Der zweite (Fisch-)gang war nun wieder ein Musterbeispiel für die weiterentwickelte Küche des Eric Menchon. Im Mittelpunkt einer der Edelfische schlechthin: die Seezunge.

Aber – und nun kommt’s – kombiniert mit einem unglaublich geschmackvollen Gemüsebegleiter, nämlich einer geschmorten Aubergine mit Nori-Crumble und asiatische Salat-Topping. Während die Seezunge (in einem Escabeche-Sud) leider über eine durchschnittliche Produktqualität nicht hinauskam, waren die beiden Satelliten umso großartiger.

Neben der Aubergine gab es nämlich noch eine Interpretation der klassischen Königin-Pastete. Während die Begleiterin ja generell nicht so auf Blätterteig steht, bin ich diesem Gericht komplett verfallen. Denn Eric Menchon überraschte hier mit einem Ragout fin aus Meeresfrüchten. Ein Gericht, von dem ich wirklich noch mehr, eigentlich noch viel mehr, essen hätte wollen.

Die Stimmung an unserem kleinen Tischchen schwappte allmählich ins Euphorische. Der Lautstärke im Raum nach zu urteilen war es bei den anderen Gästen ähnlich.

Geschmorte Aubergine mit Nori-Crumble und Salat

Der Satellitenteller: wunderbare Aubergine


Überragend hier auch die Weinbegleitung – auch ein Klassiker, ein Chardonnay aus dem Burgund: Pouilly Fuissé 2013 – Pierrefolle, Chateau des Rontets. Leute Leute, ich muss mich wieder mehr den klassischen Weinen widmen!

Sehr verhalten in der Nase mit kaum Frucht kam er dann am Gaumen gewaltig angerollt. Nachhaltig balsamisch, einfach die pure Harmonie. Da würde ich viele, sehr viele, andere Weine daneben stehen lassen!

Kalbbries | Schwarzwurzel | Kürbis-Chutney | Hummus und Mais (8/10)

Kalbsbries angerichet auf Teller

Ungewöhnlich aromatisiert: Kalbsbries


Als Innereien-Fan (mehr dazu hier) bin ich natürlich immer begeistert, wenn sich Sterneküche an den oft verpönten Stücken versuchen. Kalbsbries ist dabei noch die einzige Innerei, die in der gehobenen Küche relativ oft auf den Speisekarten auftaucht.

Über die Gründe kann man nur spekulieren, vielleicht weil viele gar nicht wissen, was so ein Bries eigentlich ist. Mit Hirn, Lunge oder Niere weiß man sehr viel mehr anzufangen, weil man eben selber sowas hat – jedenfalls meistens 😉

Im Le Moissonier war das Bries ungewöhnlich mit einer Patchouli Essenz aromatisiert. Eric Menchon nutzt ja mitunter hochwertigste Duftessenzen aus seiner südfranzösischen Heimat – dies war offensichtlich hier der Fall.

Eine tolle Kombination, die auch die nur durchschnittliche Qualität des Kalbsbries vergessen ließ (Innereien an einem Samstag, kein leichtes Unterfangen, denn Schlachttag ist in der Regel der Montag).

Die Satelliten waren perfekt gegarte Schwarzwurzeln quasi als Konsistenzbegleiter zum Bries und Kürbis-Chutney und Hummus mit Mais als aromatische Verlängerung der süßlichen Aromatik des Bries. Durchdacht, ungewöhnlich und sehr, sehr schmackhaft.

Die Weinbegleitung: Terres Nouvelles rouge 2010 – J. Parcé. Ein Roter von der Cotes du Roussillon fiel leider deutlich ab, hier hätte ich mir ein Pinot noir deutlich besser vorstellen können.

Passionsfrucht-Parfait | Kokosreispudding | Malz-Crumble | Mango-Shake (6/10)

Passionsfruchtparfait

Auch optisch ein Genuß: das Dessert


Wunderschön präsentiert folgte der Dessertgang, der aber trotz seiner Satelliten (z.B. in Form eines Mango-Shakes und eines Kokosreispuddings), leider etwas eindimensional blieb. Das Menü hatte einfach zu hohe Erwartungen aufgebaut.

Alles Elemente sehr wohlschmeckend und handwerklich perfekt, aber ich hatte das Gefühl es fehlt ein Element, das als Kontrapunkt zu den Fruchtaromen der sehr präsenten Mango hätte dienen können.

So blieb dann noch der finale Espresso mit Karamellbonbons, Marshmallows und Macarons. Ich trinke ja sehr selten nach großen Menüs Kaffee, da er oft dünn und säuerlich daher kommt (auch in besternten Häusern), aber Vincent Moissonnier konnte seiner Maschine hervorragenden Espresso entlocken.

Kaffee mit Keks, Macarons, Marshmellow und Karamellbonbon

Menüabschluß mit gelungenem Espresso macchiato

 

Fazit zum Essen im Le Moissonnier

Ein hochgenußvoller Kurzurlaub waren diese drei Stunden. Ein Ausflug ins kulinarische Frankreich und ein Erlebnis, das zeigt wie gehobene Gastlichkeit in Perfektion funktionieren kann, ohne dass man sich einen Moment unwohl oder gezwungen fühlen muss.

Die Küche von Eric Menchon macht die Tür zum Genuß ganz weit auf ohne beliebig zu wirken. Dass nicht nur unser Eindruck ein sehr positiver war, konnte man an den ausnahmslos fröhlichen Gesichtern der anderen Gäste erkennen.

Auffallend hier auch wie heterogen das Publikum war. Es bleibt zu hoffen, dass das Le Moissonnier noch lange Heimat für alle Essverrückten aus Köln und dem Rest der Republik bleiben werden.

Mehr von Eric Menchon

Erstaunlicherweise gibt es von Eric Menchon bzw. dem Le Moissonnier kaum Kochbücher bzw. Literatur.

Den besten Eindruck liefert sicherlich ein Band aus der SZ-Edition, den ich mir wohlweislich schon vor vielen Jahren zugelegt habe (falls jemand den ersten Satz dieses Blogposts als Einleitungsfloskel abtun will, das wäre der Beweis für die Ernsthaftigkeit meines Ansinnens).

Titel Kochbuch Eric Menchon


Sehr beeindruckend auch der ganz aktuelle Auftritt von Eric Menchon bei der Chef Sache 2015. In dem sehenswerten Video erläutert der Spitzenkoch seine Art zu kochen und auch wie er zu Ideen in der Küche gelangt.