Jetzt sprießen sie überall wie die Frühlingsblumen (oder Unkraut?) aus dem Boden: Veranstaltungen, Events und Festivals rund um’s neue hippe Bier, ja Craft Bier ist gemeint.
Dass das Thema Craft Bier aber nicht also Modeerscheinung abzutun ist, wird jedem klar, der die Diskussionen um Sinn und Unsinn des bayerischen Reinheitsgebots verfolgt hat. Ein idealer Ort um sich mit der Vielfalt der handwerklichen Biere auseinanderzusetzen ist das Craft Bier Festival in Regensburg.
2015 fand es zum ersten Mal statt, damals noch im makellos historischen Ensemble des Haidplatzes – und schon letztes Jahr waren wir ganz begeistert von Konzept, Stimmung und Qualität der Veranstaltung.
Klar dass zur zweiten Auflage (vom 04.-06.05) wieder ein Ausflug in die Hauptstadt meiner oberpfälzischen Heimat Oberpfalz 🙂 auf dem Programm stand.
Die Macher des Events hatten wohl schon bemerkt, dass beim Thema Craft Bier die Popularitätskurve steil ansteigt und die Location verlagert: der größere Neupfarrplatz bietet mehr Raum für Ausschank, Mensch und Bier.
Besonders positiv und ja auch demokratisch finde ich dass beim Craft Bier Festival Regensburg kein Eintritt verlangt wird.
Man holt sich einfach gegen Pfand ein Tasting-Glas und legt los. Entsprechend bunt ist dann auch die Mischung der Besucher: Studenten, Sonntagsausflügler und Spaziergänger, Touristen und Eingeborene. Natürlich auch einige Hipster mit prächtigen Rauschebärten.
Ja selbst einige Münchner sind uns über den Weg gelaufen, wenn das mal kein Zeichen ist.
Mit einer klassischen Rengschburger Semmel mit allem als Grundlage ging es also ans Craft Bier Tasting.
Brauerei Raven aus Pilsen, Tschechien
Die Pivovar (das ist das tschechische Wort für Brauerei) Raven hat ja schon überall mächtig abgeräumt und auch in Regensburg wurde sie als Geheimtipp gehandelt.
Nichts wie hin und erstmal ein White IPA probiert. Ja gleich ein ungewöhnliches Konzept: Ein India Pale Ale mit Weizenmalz. Kann man machen, wenn man’s kann.
Kein Zweifel Philip Miller und Petr Vynáhlovský von Raven können es richtig. Schon beim ersten Schluck weiß man wieder warum Craft Bier eine neue Welt eröffnet.
Aromen und Körper sind unvergleich. Die weizentypische Fruchtigkeit (leicht süßlich) wird hier wunderbar kontrastiert von der hopfenbitteren Note. Und so schreibt Raven auf seiner Internetseite auch:
Čistá jako padlý sníh, jemná a velmi pitelná. (übersetzt: Rein wie frisch gefallener Schnee, zart und sehr trinkbar.)
Bier-Steckbrief White IPA
Hopfen: Nugget, citra
Stammwürze: 15%
Alkoholgehalt: 6,3%
IBU: 40
Also ein Auftakt nach Maß und eine tschechische Brauerei gehört ja auch auf ein Craft Bier Festival, zumindest in Ostbayern ist das sogar regionales Bier (von Regensburg nach Pilsen sind es ca. 120 km).
Aber jetzt muss was Bayerisches ins Glas:
Brauerei Camba, Truchtlaching
Die Brauerei Camba habe ich ja bereits auf der Brau Beviale Nürnberg kennengelernt. Inzwischen macht Camba ja mächtig Schlagzeilen, weil das hochgelobte Milk Stout absurderweise nicht mehr verkauft werden darf. Wegen Reinheitsgebot, is klar…
Wir lassen uns völlig legal ein Camba Hop Gun einschenken. Nun ja, ich hatte ein bisschen mehr Hopfen erwartet, so in Richtung Double IPA, aber das war es nicht. Für mich nichts halbes und nichts ganzes.
Bier-Steckbrief Camba Hop Gun
Hopfen: Perle, Select, Simcoe, Amarillo
Stammwürze: 14,6%
Alkoholgehalt: 6,4%
IBU: 36
Bei der zweiten Runde haben wir bei Camba dann noch ein Imperial Stout, gelagert im Cognac Fass probiert (zum stolzen Tasting-Preis von 4,- Euro). Auch hier war ich etwas enttäuscht, da habe ich schon weitaus besseres getrunken (unübertroffen: Stickee Monkey von Firestone Walker).
Nun muß mal was richtig abgefahrenes her. Von einem Pionier der deutschen Craft Bier Szene:
Freigeist Bierkultur, Köln
Sebastian Sauer von Freigeist ist ja einer der international richtig mitspielt in der Craft Beer Szene (hier ein lesenswertes Portrait bei den Hopfenhelden).
Ich kannte bis dato noch kein Bier von Freigeist. Und wir wollten auch keines trinken, denn unsere Wahl darf nach dem Reinheitsgebot nicht als Bier bezeichnet werden. Ein Biermischgetränk also mit Johannisbeerzusätzen.
Aber auch hier eine Enttäuschung, keine Harmonie, kein Wohlgeschmack sondern unangenehme Tannine (wohl von den Johannisbeeren). Nein, da bin ich kompromißlos: Sowas brauche ich nicht im Glas.
Immerhin hatte uns Sebastian vorgewarnt und uns erstmal eine kostenlosen Probeschluck angeboten. Bei dem blieb es dann auch 😉
Also jetzt war etwas Entspannung nötig und so gönnten wir uns einen Schluck vom Festivalbier, auch dieses Jahr wieder eine köstliche Erfrischung (gebraut wieder von der Spital Brauerei?
Ich bin mit nicht sicher, nachgefragt habe ich nicht). Jedenfalls einmal mehr ein Beweis, dass Frische ein absolutes Qualitätsmerkmal beim Bier ist (von den fassgelagerten und dunklen Sorten mal abgesehen).
Zum Abschluß wurde es dann ganz versöhnlich und wir machten noch eine tolle Entdeckung:
Brauerei Rhaner, Cham
Eigentlich nur als Anlaufpunkt für die weizenbegeisterte Begleiterin gedacht, waren die Biere von Rhaner definitiv eine Entdeckung.
Die Brauerei sitzt in Cham und braut seit 1283 Bier. 1283 !! – das muß man sich mal vorstellen. Kein Wunder also, dass Rhaner zu den 5 ältesten Brauereien in Deutschland mit durchgehender Brautradition zählt.
Im Angebot war ein Weizenbock, der sog. Lilly Bock, ausgezeichnet übrigens schon beim World Beer Cup (Bronze, 2012, Kategorie Weizenbock).
Und ja, obwohl ich kein Weizenfreund bin, schmeckt die Lilly ganz wunderbar. Kräftige und unverkennbar exotische Fruchtaromen bestimmen das Geruchs- und Geschmacksbild, lecker und süffig. Bravo!
Ich wurde dann richtig neugierig und wagte mich gleich an den ROB 1776, den Rhaner Oak Aged Bock. Also das ziemlich kräftigste was im Ausschank war.
Auch hier eine positive Überraschung, so gutes und außergewöhnliches Bier kann inzwischen aus Bayern, ja aus der Oberpfalz kommen. Malzig, süß und schokoladig und unverkennbaren Whisky-Aromen (wegen der Fässer).
Rhaner ist vorgemerkt, demnächst wird hier mehr probiert!
Damit war es dann auch genug, auch wenn die Stimmung an diesem herrlichen Frühlingstag auch aufgrund der passenden Musikbegleitung fast volksfestartig wurde. Schließlich sollte die Heimreise ja noch innerhalb der gesetzlichen Promillegrenzen angetreten werden…
Fazit zum Craft Bier Festival
Eine absolut besuchenswerte Veranstaltung, vor allem bei schönem Wetter wie dieses Jahr.
Angenehmes Publikum, tolle Biere und eine großartige Kulisse. Einzig beim Thema Kulinarik könnte man sich noch eine Steigerung vorstellen. Aber es muß ja noch Potenzial für nächstes Jahr bleiben.
Alles Infos zum Festival gibt’s hier auf der Internetseite.