Vor dem Burger-Thema habe ich mich ja bisher immer etwas gedrückt.
Seit mir jedoch das opulente Burger Unser Kochbuch in die Hände gefallen ist, war klar, dass ich dieses extrem gehypte Thema nicht mehr umschiffen kann 🙂
Während landauf-landab ständig neue Burger-Buden aus dem Boden schießen, bin ich schon immer sehr zurückhaltend.
Meine kritische Beurteilung des Konzepts „Burger“ fällt nämlich gar nicht gut aus:
Auch wenn hochwertigste Zutaten beim „Bau“ eines Burgers verwendet werden, ein Burger kann nie ein Spitzengericht werden.
Dafür ist die Idee, sehr würzige und umamilastige Zutaten zu einer Art leicht konsumierbaren Einheitsbrei zu kombinieren viel zu banal. Man kann es auch drastisch ausdrücken: Der Burger ist ein „Mampf“-Essen!
Burgerkreationen von Spitzenköchen sind demnach eher in die Kategorie Marketing-Gag einzuordnen, siehe z.B. der Mini-Burger von Sven Elverfeld (hier, etwas nach unten scrollen).
Vermutlich habe ich jetzt schon 90% der Leser des Beitrags vergrault, den hartnäckigen kann ich nur zurufen: Bleibt dabei und schaut euch mit mir das Buch Burger Unser an!
Burger Unser – Die Autoren
Ich habe mir in der Vergangenheit schon immer wieder diverse Burger Bücher angesehen.
Keines davon hat mich wirklich begeistert, zu mainstreamig und erwartbar waren all diese Werke. Erst bei Burger Unser bin ich hängengeblieben. Und zwar trotz des Covers – den das wirkt auf mich eher abschreckend.
Überhaupt finde ich die Gebetbuch- oder Bibelanmutung völlig absurd, noch dazu mit der Verwendung von Albrecht Dürers Händen.
Scheint jedoch die Zielgruppe anzusprechen – mich jedenfalls nicht.
Im Gegensatz zum äußeren Erscheinungsbild hat mich der Blick auf die Autoren neugierig gemacht:
Hubertus Tzschirner und Dr. Thomas Vilgis (neben Nicolas Lecloux, Nils Jorra und Florian Knecht) sind Personen, die ihre kulinarische Kompetenz schon vielfach unter Beweis gestellt haben. Hier hätte also jemand einen Ruf zu verlieren…
Von Thomas Vilgis habe ich im Blog das Buch Kochen für Angeber bereits besprochen. Und Hubertus Tzschirner hat sich z.B. auch zum Thema Sous-vide Garung bereits fundiert in Buchform geäußert (hier zu seiner Website).
Und in der Tat sind die Autoren auch bei Burger Unser die Garanten für ein durchdachtes und inspirierendes Buch.
Burger Unser – Der Inhalt
Das ganze Thema wird im Buch sehr strukturiert aufbereitet. Die einzelnen Kapitel lauten:
- Buns
- Fleisch
- Patties
- Sossen
- Beilagen
und dann erst folgen komplette Rezepte
- Burger
Abschließend findet sich ein umfangreicher Anhang mit Basisrezepten.
Interessanterweise schwankt der Inhalt zwischen ambitionierter Herangehensweise (z.B. die Arbeit mit Texturgebern) und einer anfängerorientieren Anleitung:
In den Rezepten werden oft Knoblauch und Zwiebeln verwendet. Wir gehen natürlich davon aus, das (!) ihr diese vor der eigentlichen Zubereitung immer von der Schale befreit (…) (Seite 9)
Jetzt ernsthaft??
Was mir im Buch sehr gut gefällt, sind die Hintergrundinformation von Thomas Vilgis nach dem Motto „Wissen statt glauben“ vermittelt.
Hier kann eigentlich jeder nur dazu lernen – egal ob Burger-Novize oder Profi.
Und Vilgis scheint sich auch im klaren darüber zu sein, dass ein Burger nicht das Ende der kulinarischen Fahnenstange ist, denn er sieht durchaus auch einen Zielgruppe der „Burger mit Messer und Gabel-Esser“ (Seite 19).
Burger Unser – Kritikpunkte
Leider gibt es dann doch auch einige inhaltliche Wackler, exemplarisch seien hier genannt:
Die Verwendung von Natron bei der Herstellung eines Laugen-Buns (Seite 27).
Hier wird leider nicht unterschieden zwischen Backnatron und der eigentlich notwendigen Natronlauge. Chemisch ist das völlig unterschiedlich. Inkonsequenterweise ist dann auf Seite 114 doch von Natronlauge die Rede.
Anfänger könnten hier durchaus verwirrt werden.
Frisches Obst im Bun zu verwenden, halte ich für wenig empfehlenswert (der Wassergehalt ist hier das Problem), leider rät man auf Seite 33 dazu (wenn auch mit Stärke-Einsatz).
Die Zubereitung von frischem Kräuterwasser (Petersilie, Bärlauch o.ä.) wird handwerklich falsch angepackt.
Frisch püriert wird so eine Flüssigkeit immer grau. Da hilft es auch nicht, wenn man auf Seite 37 rät: „Wenn ihr kurz und schnell püriert“. Falsch: Nur kurzes Blanchieren von Kräutern erhält die grüne Farbe.
Jeder Koch weiß das doch, oder?
Auch bei den Grundrezepten wird’s ein bisschen ungenau: Die Verwendung von Lachs (wie generell von fetten Fischen) im Fischfond ist unbedingt zu vermeiden, sonst wird es einige tranige Brühe.
Aber nicht dass hier ein falscher Eindruck entsteht, wo Schatten ist, gibt es auch Licht 🙂
Burger Unser – Lob
Besonders positiv ist mir aufgefallen:
Die Verwendung von Innereien für bestimmte Patty Blends. Das zeigt, auch beim Burger kann man die Nose-to-Tail Karte durchaus spielen.
Klug sind die Überlegung zum Thema Fett: Die Kombination von Rinderfett und Butterschmalz ist eine Aromabombe (Seite 54, „Der Rauchpunkt“)
Bei den Sossen kommt auch die ISI-Flasche zum Einsatz, das macht Sinn, weil dadurch eine luftigere Textur erreicht wird und so allerlei Varianten denkbar werden (Seite 69, 71)
Sehr fundiert auch die Übersicht zu Kartoffelsorten und ihren Einsatz als Beilage (Pommes) auf Seite 85.
Bei den Burgerrezepten finden sich dann immer Angaben zum „Sauereifaktor“ (naja, Burger ist eigentlich immer Sauerei, s.o.) und dem „Level“ (das macht schon mehr Sinn hier zu differenzieren).
Besonders toll sind jedoch die Getränkeempfehlungen, die auch zwischen alkoholoisch und nicht alkoholisch unterscheiden.
Bravo, das hätte ich selbst von einer „Bibel“ nicht erwartet!
Wie ambitioniert hier teilweise die Rezepte sind kann man auch an den Zutaten ablesen (auch wenn sich hier die Frage nach dem Product-Placement bzw. Sponsoring stellt). Gewürze von Ingo Holland, Säfte von van Nahmen sind über jeden Zweifel erhaben.
Generell ermöglicht das Burger Unser neben der breiten Auswahl aus den Burgerrezepten auch immer die kreative Zusammenstellung eines eigenen Burgers. Ein Signature Burger für jeden – das ist doch mal richtig demokratisch 🙂
Burgerrezepte, die mir gefallen haben
- The Original BU-Burger (Seite 186), mit Entenstopfleber und Trüffelmayonaisse
- La Krise-Burger (Seite 213) mit Enten-Rillette und Kirschen
- Lord Bacon (Seite 164) mit Speckmarmelade
- Winter Wonderland (Seite 168) mit Hirschpatty, Aprikosen und Shiitakepilzen
Ab und zu entstehen ja bei mir in der Küche auch Burger, die es aber bisher nicht bis zur Blogreife geschafft haben.
Mal sehen ob ich mit den neuen Anregungen mal einen Foodflaneur-Signature-Burger entwickle…
Burger Unser – Mein Fazit
Mit dem Buch ist dem Callwey Verlag wirklich ein Standardwerk gelungen und das allein verdient großes Lob.
Man kann das Verlagsteam hier nur ermuntern, den relativ neuen Themenbereich Kochen und Genießen weiter auszubauen.
Egal ob Anfänger oder Burgerprofi, hier wird jeder neue Anregungen finden.
Die Ausstattung des Buchs ist untadelig, es gibt mehrere Lesebändchen, das Format ist gerade noch praktisch und die Fotos extrem appetitanregend (wenn hier kein Foodporn-Style, wo sonst?).
Auch das Layout ist angenehm und bringt die Vielzahl der Informationen gut unter.
Das sieht offensichtlich auch die Gastronomische Akademie Deutschlands auch so, denn sie hat das Buch ganz aktuell (Stand 25.07.2016) mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.
Und auch die Leser scheinen Qualität zu honorieren: Das Burger Unser ist jetzt schon in vierter Auflage erhältlich und war zwischenzeitlich wohl schon mal komplett vergriffen.
Wer sich mit dem Thema Burger auseinandersetzen will, kommt also am Burger Unser nicht vorbei!