Die besten Tricks der Spitzenköche (?)
Tataaa, ich präsentiere: Das Kochbuch mit dem irreführendsten Titel des Jahres! Wer aber jetzt einen Verriss erwartet, liegt falsch – richtig falsch. Denn wer glaubt, das wäre ein Buch für Checker-Typen, die eine Anleitung brauchen um beim ersten Homemade-Dinner Date die Louis-Vuitton Blondine klar zu machen, wird von mir gleich eines Besseren belehrt!
Ich bin an dem Titel nur hängen geblieben, weil ich den Autor, Thomas Vilgis, schon von anderen Büchern her kenne. Und dachte mir deshalb „Der wird ja wohl was Ordentliches veröffentlichen…“
Zum Autor: Thomas Vilgis ist Professor für Theoretische Physik an der Uni Mainz und leitet die Arbeitsgruppe „Molekulare Lebensmittelwissenschaften“ am Max-Planck-Institut für Polymerforschung. Er ist in der Spitzen- und Sternegastronomie gut vernetzt und berät Top-Köche. Weiterhin ist er auch Referent bei den CookTank-Events (eine Art Barcamp für Sterneköche), das von den Sternefressern veranstaltet wird. Eine Koryphäe also…
Zielgruppe: Ambitionierte Köche
Das Buch ist in der Tat ein kleiner Schatz für ambitionierte Hobbyköche und vermutlich auch den einen oder anderen Profikoch. Doch anders als der Titel suggeriert, geht es nicht um irgendwelche Angebereien, geschweige denn „billige“ Tricks. Es geht um die ernsthafte und sehr fundierte Auseinandersetzung mit neuen, innovativen Kochtechniken. Nicht immer frei von Effekthascherei der sog. „Molekularküche“, aber dennoch inspirierend und „open-minded“.
Schauen wir doch mal rein: Das Werk ist gegliedert in 52 Kapitel. Jedes dieser Kapitel befasst sich mit einer anderen Art der Speisenzubereitung und -wahrnehmung anhand eines konkreten Rezepts. Alles ist, trotz komplexer Zusammenhänge, absolut nachvollziehbar beschrieben.
Rezeptbeispiele
Um das etwas klarer zu machen, hier nun einige Beispiele:
- Aromatisieren unter Druck (Rezept Nr. 12) – Hier wird beschrieben wie man mit Hilfe des iSi Whip hocharomatische Öle herstellen kann. Ein Super-Anregung!
- Niedrigtemperatur in klassisch (Rezept Nr. 32) – Man glaubt es kaum, der gute alte Römertopf in der Top-Gastronomie. Ein Augenöffner-Rezept!
- Foodpairing (Rezept Nr. 11) – Das Modewort schlechthin in der Szene. Hier erfährt man Hintergründe und kann anhand eines Rezeptbeispiels das Prinzip nachvollziehen.
Die einzelnen Rezepte sind mit tollen Fotos illustriert und sehr angenehm gelayoutet. Anders als die früheren Bücher von Vilgis (z.B. „Molekularküche – das Kochbuch“) kommen sie weniger wissenschaftlich trocken daher. Durch „handschriftliche“ Anmerkungen und Skizzen im Text, hat man das Gefühl die Inhalte sind nochmal um eine subjektive Erklärungsnote erweitert worden – sehr schöne Idee!
Hintergrundinfos: Zutaten und Geräte
Wenn man über ambitionierte und innovative Küche spricht, geht es zwangsläufig auch um ungewöhnliche Zutaten und neuartige, meist „sauteure“ Gerätschaften. Thomas Vilgis geht auf beides sachlich ein. Er beschreibt zum einen die Möglichkeiten von Zusatzstoffen wie Gellan (ein besonderes Geliermittel), Isomalt (eine Art Zucker, der nicht karamellisiert beim Erhitzen) und vieles mehr. Man kann hier sich seine eigene Meinung bilden, ob man diese Stoffe verwenden will, oder eben nicht.
Detailliert auch seine Anmerkungen zu den Geräten, wie Pacojet, Sous-Vide-Garer, Dörrapparat etc. Hier bezieht Vilgis klar Stellung und rät von sinnlosen Anschaffungen ab, erklärt vielmehr, wie sich die Geräte durch günstige Varianten ersetzen lassen. Genau ein so unabhängiges wie fachkundiges Urteil zeichnet einen guten Autor aus – Bravo!
Kochen für Angeber – mein Fazit
Ein wirklich sehr empfehlenswertes Buch für jeden ambitionierten Koch. Tolle weiterführende Rezepte, angereichert mit kompetenten Hintergrundinformationen und dadurch besonders inspirierend. Das Layout ist sehr angenehm, die Fotos überzeugend und der Preis für den gebotenen Inhalt sehr attraktiv. Der Verlag von Stiftung Warentest macht hier fast alles richtig – bis auf die Wahl des Buchtitels.