Noch ein Grill-Kochbuch? Eine schier unüberschaubare Anzahl von Grillbüchern überschwemmt den Markt schon seit einigen Jahren.
Angeregt vom Marketing-Erfolg des Herstellers W. und seiner sog. „Grillbibel“ hat nahezu jeder Verlag mehrere Bücher zu dem Thema am Start. Da fällt es schwer die Spreu vom Weizen zu trennen und ein Buch mit gehobenen kulinarischen Anspruch zu finden.
Grillen in der gehobenen Küche | Exkurs
Ganz viele Bücher, die sich mit dem Thema beschäftigen, gehen wenig strukturiert und unpräzise an das Thema heran. Man hat den Eindruck, das einfach die gängigen Rezepte abgehandelt werden müssen und eine kulinarische Einordnung des Ergebnisses nicht notwendig ist.
Dieser Ansatz ist meiner Meinung nach gegensätzlich zur Haltung in der gehobenen Küche. Hier wird ja das Thema Grillen nicht ausgeklammert, sondern gezielt eingesetzt. Spitzenköche haben meist einen hochwertigen Keramikgrill, wie z.B. das sehr teure Big Green Egg, im Einsatz. Darauf bereiten sie doch keine „Grillmenüs“ zu, sondern akzentuieren Zutaten durch die Besonderheiten des Grillens (z.B. Raucharomen, hohe Temperaturen)
Wie fundiert hier vorgegangen wird, möchte ich an einem Zitat von Michael Kempf (zwei Sterne, Restaurant Facil, Berlin) deutlich machen. Er sagt z.B. über das Thema Räuchern von portugiesischem Salz mit Buchenholzmehl:
Nur für die ersten zwei bis vier Minuten, danach wird der Rauch zu penetrant.
Das zeigt für mich exemplarisch, welche Einflußfaktoren beim Grillen bisher außer Acht gelassen werden: genaueste Zeitangaben, Unterschied von Holzqualitäten, Aromadimensionen (rauchig ergänzt um weitere Noten, wie z.B. kräutrig, süßlich etc.) und Einsatz von gegrillten Zutaten in komplexen Gerichten bzw. Menüfolgen.
Andererseits ist Grillen immer ein soziales Ereignis, bei dem oft andere Aspekte als die reine kulinarische Qualität der Speisen im Vordergrund stehen. Schwierige Sache also hierzu ein umfassendes Buch zu schreiben.
Sehr gut grillen – die echten Weltmeister Rezepte
Der Titel des Buches aus dem Verlag Stiftung Warentest klingt schon mal ambitioniert. Das Autorenteam ist wohl bei Grillmeisterschaften ganz vorne gelandet. Dies ist schon ein Hinweis auf die Praktikabilität der Rezepte und eine gewisse Gefälligkeit der Ergebnisse.
Nach einer kurzen Einleitung mit durchaus hilfreichen Tipps und Erläuterungen zum Thema Grillen folgen die Rezepte in konventioneller Gliederung:
- Dips, Marinaden & Co.
- Vorab und dazu
- Grünes auf den Grill
- Meer grillen
- Fleisch vom Rost
- Hackfleisch und Wurst
- Gut gegrilltes Geflügel
- Grillen für die Süßen
Die Grill-Rezepte
Die Rezepte sind breit gefächert und gehen zum Teil über gewöhnliche Zubereitungen hinaus. So wird z.B. das Garen im Olivenölbad bei einer Lammlachse beschrieben. Sehr schön um das empfindliche Fleisch aromatisch und saftig zu bekommen. Ein exemplarische Beispiel wie direktes (hier: Anbraten über der Glut) und indirektes Grillen (erhitzen des Olivenöls) geschickt kombiniert werden kann.
Die Autoren gehen auf die Bedeutung der unterschiedlichen Holzqualitäten ein – ein hilfreicher Ansatzpunkt für eigene Experimente. Sie beschreiben auch Fehler, die sie gemacht haben (sympathisch, auch Grill-Weltmeister sind nicht unfehlbar) und geben – zumindest in Ansätzen – Tipps zum Einkauf (z.B. auf S.118 und S.133). Gerade der Punkt Einkauf und Produktqualität kommt ja bei vielen Grillbüchern zu kurz und wird einfach ausgeklammert.
Auch wenn die meisten Rezept auf wenigen Zutaten beruhen, werden zu diesen oft genaue Angaben gemacht. Und es findet sich auch die eine oder andere exotische Empfehlung, so beim „Bliesgauer Kartoffelsalat“ (S. 102) bei dem Leindotteröl zum Einsatz kommt. Hier haben sich die Autoren also durchaus mit einer geschmacklichen Optimierung beschäftigt, das gefällt mir sehr gut.
Vegetarisch grillen
Auch bei den vegetarische Rezepten läßt sich die eine oder andere interessante Anregung finden, so fand ich z.B. das Rezept „Gegrillter Salat“ einen interessanten Anstoß. Das Rezept läßt sich (wie viele Rezepte in dem Buch) problemlos erweitern. Solche Denkanstöße wünsche ich mir durchaus öfter von Kochbüchern.
Das erste Rezept, das ich aus dem Buch gemacht habe, war dann in der Tat eine vegetarische Salsa: Chimichurri, das ursprünglich aus Argentinien stammt.
Gestaltung und Ausstattung
Ein Kochbuch muß man gerne zur Hand nehmen wollen, Ausstattung, Layout und Fotografie dürfen also ruhig anregend sein.
Das Sehr gut kochen-Buch überzeugt hier auf der ganzen Linie. Zurückhaltendes, aber durchdachtes Layout in dem man sich schnell zurecht findet. Ein angenehme handliches Buchformat mit Leinenrücken und Lesebändchen sowie angenehm normale Fotos, die fast jedes Rezept illustrieren machen den Gebrauch zum Vergnügen.
Mein Fazit
Das „Sehr gut grillen“ aus dem Verlag Stiftung Warentest ist für mich eines der derzeit besten Grillbücher auf dem Markt. Von deutschen Autoren (keine merkwürdige Lizenzausgabe), ohne penetrante Herstelleranbindung (ich will selbst entscheiden welchen Hersteller ich bevorzuge) und mit einem durchaus ambitionierten Rezeptportfolio (man kann also gleich losgrillen), all das spricht neben dem Inhalt für das Buch.
Der Verlag Stiftung Warentest entwickelt sich für mich mit seinem kleinen aber feinen Kochbuchsortiment immer mehr zu einem Geheimtipp. Auch das hochinteressante „Kochen für Angeber“ (hier zu meiner Rezension) stammt ja aus diesem Verlag.