Hausgemacht – Tim Hayward [Buchbesprechung]

Ich bin ja kein großer Freund von Lizenzausgaben fremdsprachiger Kochbücher. Zu oft wird hier von den Verlagen versucht einen Bestseller preisgünstig zu adaptieren. Das merkt man in der Regel an schlampigen und nicht nachvollziehbaren Übersetzungen bei den Rezepten, es sind typische Blender-Bücher.

Wenn man beispielsweise in Rezepten regelmäßig die Zutat „Creme double“ findet, weiß man sofort: Hier wurde ein Buch aus Großbritannien übersetzt, die dort verbreitete Zutat Clotted Cream einfach als Creme double übersetzt.

Wie sinnvoll das ist, kann jeder beurteilen der schon mal Clotted Cream gegessen hat.

Ansicht Buchrücken

Das Erstlingswerk von Tim Hayward


Die Wahrscheinlichkeit eines Treffers bei übersetzten Kochbüchern steigt naturgemäß mit dem Renommee des Autors (nicht Bekanntheitsgrad!).

Im konkreten Fall war ich nun wirklich wagemutig, vom Autor Tim Hayward hatte ich bis dato noch nichts gehört. Der Klappentext verspricht aber, dass der Autor 2014 als Food-Journalist des Jahres ausgezeichnet wurde. Aha.

Der Titel „Hausgemacht“ weckte mein Interesse aufgrund der Bandbreite. Selbst Pökeln, Räuchern und Lufttrocknen hört sich schon mal sehr interessant und ambitioniert an.

Das Buch beginnt sehr unterhaltsam – leicht britisch spleenig – mit einer Hommage auf Justus Liebig, dem deutschen Chemiker, der unter anderem das Prinzip der Stickstoffdüngung entdeckt hat.

Darüberhinaus hat er auch die Produktion von Hefeextrakt erfunden, was ja dem unsäglichen Marmite ähnelt. Kein Wunder dass die Briten ihm dankbar sind.

Hausgemacht – Inhalt

Das Buch gliedert sich in 11 Kapitel:

  1. Beizen & Pökeln
  2. Einlegen
  3. Lufttrocknen
  4. Räuchern
  5. Backen
  6. Gefüllte Teigwaren
  7. Konservieren
  8. Kochen im Freien
  9. Fleisch zerlegen
  10. Fast Food
  11. Milch & Käse

Nun, die Kapitel lassen einen etwas ratlos zurück, Räuchern ist ja wohl auch eine Konservierungsmethode und was soll das Kapitel 6 „Gefüllte Teigwaren“ bedeuten?

Ansicht Doppelseite mit Foto

Auch hier: der typisch männliche Fotostil.


Überzeugend ist der Autor für mich in seiner Einleitung, in der er über die Sinnhaftigkeit des Selbermachens schreibt. Es geht nicht darum, dauerhaft die tagtäglichen Einkäufe zu ersetzen, sondern wieder Bewußtsein für die Erzeugung von Lebensmitteln zu schaffen. Vollkommen richtig, denn nur mit diesem Wissen kann man auch Qualität erkennen und beurteilen.

Zu den einzelnen Kapiteln ist mir dann noch folgendes aufgefallen:

Beizen & Pökeln

Hier ist der Tim Hayward ganz in seinem Element, das merkt man deutlich an Inhaltstiefe und Sprachstil. Fachlich hat mich hier beeindruckt dass die Verwendung von Nitrit(Pökelsalz) thematisiert und auch begrüßt wird, nicht zuletzt aus hygienischen Gründen.

Ansonsten bekommt man in diesem Kapitel einen schönen Überblick zu den Pökelarten (Nasspökeln vs. Tröckenpöckeln) und wird auch mit einschlägigen Rezepten und Anleitungen versorgt. Darunter finden sich dann auch Klassiker wie ein Bacon-Relish (S. 43), auch bekannt als Bacon-Jam.

Einlegen

Auch hier finden wir einen schnellen Überblick zu Möglichkeiten der Haltbarmachung durch Einlegen, es wird auf das Thema Fermentation eingegangen und auch internationale Besonderheiten (z.B. Kimchi) behandelt.

Lufttrocknen

In diese Kapitel gehen die Ambitionen des Autors mit ihm durch, jedenfalls sehe ich es als kaum praktikabel an, getrockneten Schinken selbst und mit einfachsten Mittel herzustellen. Von hygienischen Bedenken ganz zu Schweigen.

Hier würde ich nicht blauäugig herangehen und selbst die Herstellung von Salami ist kein Kinderspiel, auch wenn Tim Hayward schreibt: „Das Einzige, was ich am Selbermachen von Salamis etwas bestürzend finde, ist der Umstand, dass es so leicht ist (…)“. Nein so leicht ist es definitiv nicht, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.

Räuchern

Offensichtlich ein Kapitel, das dem Autor wieder besser liegt. Einen Überblick zu Räuchermethoden und – ganz interessant – der Möglichkeit im Selbstbau Räucheröfen zu erstellen, sowie einige klassische Rezepte (Stichwort: Pulled Pork) finden sich auf den Seiten 115 – 150.

Innenseit mit Anleitung zum Bau eines Räucherofens

Schnell mal selbst gebaut?

 

Backen

Eines der schwächeren Kapitel. Man erfährt zwar einiges über Sauerteig und die klassische Brotbackmethode. Für einen ernsthaften Einstieg in die Faszination des Brotbackens reicht dies jedoch nicht aus.

Bei aller Kritik sollte man die britische Perspektive des Autors hier nicht vergessen. Alles was kein labriger Mehlklumpen ist sehen die Briten wohl schon als gutes Brot an.

Gefüllte Teigwaren

Kurios, mehr kann ich zu diesem Kapitel nicht sagen. Nein, mich interessieren keine Pies und auch keine Rinderpastete mit Walnüssen.

Konservieren

Nun, es geht munter durcheinander mit den Begrifflichkeiten, auch Räuchern und Einlegen sind Konservierungsmethoden. Hier geht es jedoch um das Konservieren mit Alkohol und Zucker.

Am interessantesten fand ich ein Rezept zur Herstellung von Gin mittels Mazeration (die weitaus einfachere Methode im Vergleich zu Destillation). Das motiviert durchaus mal zu eigenen Experimenten.

Kochen im Freien

Diese Kapitel spricht mich wenig an, ich bin kein Campingtyp und alles was über das normale Grillen hinausgeht wird nicht meine Lieblingsbeschäftigung werden. Wer sich jedoch schon immer mal einen Erdlochofen bauen wollte, hier wird er fündig.

Innenseite mit Anleitung Erdlochofen

Kann man machen…

 

Fleisch zerlegen

Auch diese Kapitel sehe ich kritisch, schließlich kann man auf ein paar Seiten nicht schnell mal lernen und erklären wie man ein komplettes Tier zerteilt.

Eine sehr schwache Vorstellung von Tim Hayward, zumal hier auch merkwürdigerweise auch noch das Thema Würste herstellen behandelt wird (fast hätte ich geschrieben „verwurstet wird“, mögt ihr solche Witze? Ich glaube, nein…).

Fast Food

Ja, auf das Thema Fast Food selber machen kann man eingehen, schließlich schmeckt das so viel besser (guckst du hier: Döner Kebab selber machen). Warum dann aber Kaffee rösten auch in diesem Abschnitt zu finden ist, erschließt sich mir nicht wirklich.

Milch & Käse

Nein, hier wird nicht erklärt wie man seinen Camembert selbst macht. Das Kapitel ist auch sehr oberflächlich und kurz geraten. Außer einer Anleitung zum Butter machen habe ich hier nichts Brauchbares gefunden.

Anhang

Immerhin finden sich im Anhang deutsche Bezugsquellen diverser Gerätschaften und Zutaten, keine Selbstverständlichkeit bei einer Lizenzausgabe.

Mein Fazit zum Buch

Für Einsteiger und Interessierte, die sich mit dem Thema Selbermachen erstmals auseinandersetzen wollen, ist das Buch „Hausgemacht“ die richtige Wahl. Man bekommt einen Überblick zu den wichtigsten Themen (wenn auch mit britischen Besonderheiten, Stichwort „Gefüllte Teigwaren“) und man hat an jeder Stelle den Eindruck, der Autor Tim Hayward weiß wovon er spricht.

Darüberhinaus ist das Werk sehr ansprechend gestaltet und unterhaltsam geschrieben, es erinnert stellenweise an den Stil von Nigel Slater.

Wer jedoch Vertiefung in einzelnen Bereichen sucht, kommt um die entsprechenden Fachliteratur nicht herum. Warnen möchte ich davor beim Umgang mit Fleisch in puncto Hygiene zu sorglos zu sein.

Hausgemacht – Tim Hayward

26,95
6.9

Inhalt

6.5/10

Design

8.0/10

Preis/Leistung

7.5/10

Fotos

7.0/10

Nachkoch-Faktor

5.5/10

Das gefällt mir gut:

  • Down to earth
  • Grundidee

Das gefällt mir weniger:

  • Hygienische Faktoren bei der Fleischverarbeitung zu nachlässig behandelt